„Bundes-Notbremse“ – FDP zur Änderung des InfSchG

21.04.2021

Heute stimmt der Bundestag über die Änderung des Infektionsschutzgesetzes an. Die FDP im Bundestag hat sich intensiv mit der Gesetzesvorlage der GroKo auseinandergesetzt und hält den vorliegenden Entwurf für nicht verfassungsgemäß.

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Lindner gab vor der Fraktionssitzung folgendes Statement ab:

„[…] Im Zentrum steht natürlich die Novelle des Infektionsschutzgesetzes mit der sogenannten Bundesnotbremse. […] Es hat Veränderungen an dem Gesetzentwurf durch die Koalitionsfraktionen gegeben. Diese Veränderungen gehen teilweise in die richtige Richtung. Da gibt es Ausnahmen, aber wir erkennen an, dass über das Beratungsverfahren es Modifikationen gegeben hat. Für uns ein Beleg, dass die Beteiligung des Deutschen Bundestages eine Qualitätssicherungsfunktion hat. Da können dann Sachverhalte abgewogen werden, Rechtsbedenken vorgetragen werden und Sie wissen, dass die Freien Demokraten beispielsweise bei den Ausgangssperren erhebliche Bedenken aufgeworfen haben hinsichtlich der Wirksamkeit der Maßnahme einerseits, aber andererseits auch hinsichtlich ihrer Verfassungsfestigkeit. Das hat zu Veränderungen am Gesetzentwurf geführt mit dieser zentralen Problematik. Dennoch sind unsere Bedenken dadurch nicht ausgeräumt, sondern im Gegenteil, es bleibt eine große verfassungsrechtliche Problematik bei dieser Frage […] Wir werden deshalb Änderungsanträge vorlegen zum Bereich der Ausgangssperre. Von einzelnen Personen oder von geimpften Paaren, die draußen unterwegs sind, geht keine Infektionsgefahr aus. […] Deshalb werden wir an dieser Frage dranbleiben und einen Vorschlag machen, die Ausgangssperre in der jetzigen Form aus dem Gesetz zu streichen. Länder und Landkreise haben bisher schon in örtlicher Verantwortung die Möglichkeit, das Instrument zu nutzen, wenn es sich aus der örtlichen Situation als erforderlich ergibt. Eine Automatik, ab einer 100er-Inzidenz das bundesgesetzlich zu regeln, die sehen wir nicht […] In einem Bereich ist der Gesetzentwurf verschlechtert worden. Das betrifft die Frage der Schulschließung. Aufgrund einer Inzidenzzahl von 165 soll bundesgesetzlich angeordnet werden, dass die Schulen geschlossen werden. Die Festlegung dieser Zahl ist fragwürdig, wo kommt die her? Warum 165, warum nicht 158,3 oder 172,1? Eine ganz offensichtlich gegriffene Zahl aus dem politischen Basar. Wenn man diese Zahl nimmt, dann stellt man fest, dass in weiten Teilen Deutschlands ohne Anschauung des konkreten Pandemiegeschehens vor Ort die Schulen jetzt geschlossen werden müssten mit den enormen sozialen Folgen für die Kinder und Jugendlichen und für ihre Familien. Es besteht die Gefahr, dass junge Menschen komplett den Anschluss verlieren […] Es wird auch nicht berücksichtigt, was genau die Inzidenzzahl verursacht hat, also beispielsweise ein Cluster-Ausbruch an einer Stelle, der von den örtlichen Behörden aber als kontrollierbar eingeschätzt wird. All das spielt keine Rolle, […] das halten wir für falsch. Wir werden deshalb einen Antrag stellen, nicht nur auf der Basis dieser Inzidenz von 165 über Schulschließungen zu sprechen. Wir wollen ganz grundsätzlich beantragen, dass auch andere Parameter einbezogen werden, also etwa die Impfquote, die Auslastung der Krankenhäuser, die Quote der positiv Getesteten an der Gesamtzahl der Tests. Wir wollen ermöglichen, ein weiterer Änderungsantrag, dass der Einzelhandel mit vorliegendem negativen Test geöffnet bleiben kann in Modellen des Termin-Shoppings und wir wollen auch Modellprojekte für die testbasierten Öffnungen erhalten. Die sind eingeführt worden […] um zu untersuchen, wo Infektionen tatsächlich stattfinden. Also ich denke jetzt an das Modellvorhaben des Tourismus in Schleswig-Holstein, bei niedriger Inzidenz etwa. Und dort soll geprüft werden, wo sind die wirklichen Infektionstreiber. Wenn man diese Modellvorhaben alle schließt, auch andere Vorhaben wie etwa Tübingen schließt, dann fehlt uns wichtiges Erfahrungswissen […] Wir beabsichtigen durch unsere Vorschläge nicht nur das Gesetz verfassungsfest zu machen, sondern auch praxistauglicher zu machen. Wir wollen eine andere Abwägung bei den sozialen und wirtschaftlichen Risiken der Pandemiebekämpfung vornehmen als die Große Koalition. Sollten unsere Änderungsanträge abgelehnt werden, dann werden wir im Lichte des dann endgültig beschlossenen Gesetzestextes auch uns vorbehalten, die Verfassungskonformität in Karlsruhe durch eine Verfassungsbeschwerde prüfen zu lassen. Definitiv sagen kann man das erst, wenn der endgültige Gesetzestext vorliegt, unsere Änderungsanträge beschlossen oder eben nicht beschlossen worden sind, aber wir behalten uns das ausdrücklich vor.“

Die Änderungsanträge sowie einen Entschließungsantrag finden Sie hier: