Interview mit Heinrich Geiß

Aus dem Wetterauer Kreisanzeiger vom

büdingen (jm).

Heinrich Geiß ein Urgestein der Büdinger Kommunalpolitik zu nennen, ist nicht übertrieben. Seit 1982 bestimmt der gebürtige Bücheser die Geschicke der Stadt mit. Insgesamt 26 Jahre arbeitete der 69-Jährige im Magistrat der Stadt Büdingen als Vertreter der FDP mit. In den Magistrat wird Heinrich Geiß in dieser Legislaturperiode nicht mehr einziehen, aber als Stadtverordneter weiterhin Kommunalpolitik machen. Über die besondere Situation als einziger Vertreter der Liberalen im Stadtparlament und die Möglichkeiten, aus dieser Situation heraus Politik zu gestalten, sprach der Kreis-Anzeiger mit dem langjährigen FDP-Mitglied.

 

 

3,3 Prozent der Stimmen hat die Büdinger FDP bei den Kommunalwahlen erhalten. Sind Sie über das Wahlergebnis sehr enttäuscht?

Natürlich ist das Wahlergebnis eine Niederlage. Das ist nicht schönzureden. Die Niederlage ist schmerzlich, denn jeder geht mit Gefühl in die Kommunalpolitik und alle haben sich engagiert. Zwei Dinge sind zusammengekommen. Zum einen hat die Bundespolitik auch die FDP vor Ort sehr belastet. Zum anderen haben wir versucht, sachliche Arbeit zu leisten und keine Utopien zu fordern. Wir wollten uns an der Sache orientieren und haben spektakuläre Themen wie beispielsweise Schlosspark oder Sportzentrum nicht besetzt. Die Sachorientierung war vornehmlich ein Verdienst der Fraktionsvorsitzenden Dorothea Preißer. Sie hat sich in der vergangenen Legislaturperiosde immer um eine sachliche Politik bemüht. Vom Bürger wurde das allerdings nicht honoriert. Im Übrigen bin ich zutiefst davon überzeugt, dass die FDP notwendig ist, sowohl auf Bundesebene wie auch in der Kommunalpolitik. Beim letzten Landesparteitag waren viele junge Menschen, die wollen einen personellen und inhaltlichen Wechsel. Uns als Liberale ist im Parteienspektrum ein Platz sicher.

 

Wie sind Sie eigentlich zur Politik gekommen?

Auslöser war die Vergangenheit der Deutschen, das Unheil, dass Deutschland über andere Völker gebracht hat. Statt großer Diskussionen am Stammtisch wollte ich mitwirken, dass die Demokratie in Deutschland erhalten bleibt. Damals herrschte eine gewisse Aufbruchstimmung. Es gab die Öffnung nach Osten. So wurde ich zuerst Jungdemokrat und später dann FDP-Mitglied. Wie man heute sieht, ist es unverändert wichtig, für den Erhalt der Demokratie auch vor Ort einzutreten. Das ist kein Selbstläufer. Die Demokratie ist das beste System, auch wenn sie oft das Bohren dicker Bretter bedeutete. Sie bietet die beste Möglichkeit für Bürger, Politik mit zu gestalten.

 

Bei der letzten Kommunalwahl ist die FDP mit der FWG zusammen als Liste aufgetreten. Sie haben Erich Spamer als Bürgermeister unterstützt. Haben die Aufspaltung der Fraktion und die Abkehr vom Bürgermeister zu der Niederlage beigetragen?

Die Spaltung hat sich in der letzten Legislaturperiode abgezeichnet. Es wurden vermehrt unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt. Außerdem haben wir uns von unserem eigenen Bürgermeister im Stich gelassen gefühlt und die Zuarbeit in der Fraktionsarbeit vermisst. Viele Anträge der FDP/FWG-Fraktion, die im Stadtparlament Mehrheiten gefunden hatten, wurden im Rathaus nicht bearbeitet. Ein Beispiel dafür ist der dezentrale Hochwasserschutz, für den detaillierte Planungen vorgelegt wurden. Ich denke, dass dezentraler Hochwasserschutz sehr viel sinnvoller als ein zentrales Rückhaltebecken ist. Man kann Fördermöglichkeiten doch nicht benutzen, um alles andere totzuschlagen.

Oder die Schulwegsicherung. FDP/FWG haben schon vor der Änderung der Busfahrpläne einen Antrag zur Schulwegsicherung in der Bismarckstraße gestellt. Der Bürgermeister hat das hemdsärmelig abgelehnt. Der Vorschlag wurde plattgeredet, weil Gegenwind gekommen ist, den der Bürgermeister nicht aushalten kann. So wird der gesamte Parlamentarismus infrage gestellt. Ich möchte aber betonen, dass der Umgang mit den Kollegen der FWG immer unproblematisch war.

 

Ihre Partei ist neben Pro Vernunft die einzige, die sich dezidiert gegen das Sportgelände am Dohlberg ausspricht. Hat das auch zum Stimmenverlust beigetragen?

Ein Projekt dieser Größenordnung ist für die Stadt überhaupt nicht zu finanzieren. Bei allen Zuschüssen müsste die Stadt noch etwa 1,5 Millionen Euro zuschießen. Wir setzen andere Schwerpunkte. Es gibt im Stadtgebiet 17 Sportplätze. Die Umsiedlung hätte nur für einen geringen Teil der Bevölkerung Vorteile. Für viel wichtiger halte ich den Erhalt des Hallenbades. Langfristig ist zu überlegen, ein kleines Hallenbad neu zu bauen.

 

Sie sind der einzige FDP-Politiker im Stadtparlament. Wie macht man Politik als Einzelner?

Das ist die gleiche Aufgabe wie in einer Fraktion mit zehn Leuten. Man muss Mehrheiten suchen. Beim Hallenbad beispielsweise sehe ich die bei den großen Parteien. Außerdem bin ich keineswegs ein Einzelkämpfer. Ich arbeite mit den ehemaligen Fraktionsmitgliedern zusammen. Wir beraten uns vor Parlamentssitzungen und formulieren Anträge.

 

Welche Schwerpunkte setzen Sie?

Die Grundvoraussetzung für gestalterisches Handeln der Stadtverordneten ist ein genehmigungsfähiger Haushalt. Dafür habe ich mich in den vergangenen Jahren schon im Magistrat eingesetzt. Dann ist uns die Schaffung neuer Arbeitsplätze von großer Bedeutung. Für Gewerbeansiedlungen in der Reichardsweide ist meiner Ansicht nach in den vergangenen Jahren zu wenig getan worden. Eventuell muss man die Grundstückspreise senken, damit sich Unternehmen ansiedeln. Auch das interkommunale Gewerbegebiet muss vorangetrieben werden. Ein großes Anliegen ist uns die Betreuung und Erziehung von Kindern unter drei Jahren. Wir müssen jetzt schon daran arbeiten und Mittel bereitstellen. Bildungspolitik ist eines der wichtigsten Themen für die Zukunft. Dabei darf man nicht nur nach Berlin schauen, sondern auch vor Ort muss etwas geschehen.

 

Welche Themen wollen Sie in fünf Jahren erledigt sehen?

Für die FDP ist die Umgestaltung des Bahnhofsgeländes ein ganz wichtiges Thema. Wir wollen, dass der Bahnsteig so wie in Altenstadt umgestaltet wird und die Bürger die Gleise von beiden Seiten gefahrlos überqueren können. Die Stadt muss sich an den baulichen Veränderungen finanziell beteiligen. Gleichzeitig muss auf der Südseite das Park- und Ridesystem ergänzt werden.

Weiter werde ich auf die Schulwegsicherung an der Grundschule, die Absenkung von Bordsteinen für Menschen, die auf Rollstuhl oder Rollatoren angewiesen sind, und langfristig den Ausbau der Radwege, vor allem zwischen Calbach und Eckartshausen und Wolferborn und Kefenrod, hinarbeiten.