Warum wirtschaftliche Stromspeicher nicht in Sicht sind

Ein Interview mit der Arbeitsgruppe „Energy Reality“, Büdingen

Im Büdinger Wald links der Landstraße L3010 von Rinderbügen nach Büdingen ist auf dem Gelände der Constantia AG ein Vorranggebiet für die Errichtung von Windkraftanlagen (WKA) ausgewiesen worden. Bei optimaler Ausnutzung der Fläche könnten dort bis zu 12 WKA der neusten Generation errichtet werden.
Dazu sollte man wissen, dass moderne Windkraftanlagen Hightech-Industrieanlagen mit gewaltigen Dimensionen sind –  es handelt sich eher um Wind-Kraftwerke. Auch der Begriff „Windpark“ ist verniedlichend, vielmehr erscheint die Bezeichnung „Windkraft-Industriezone“ angemessener.

Als Beispiel seien hier die Dimensionen der Windkraftanlage Delta 4000 TCS 1645 von der Firma Nordex genannt: Dieses Windkraftwerk erreicht eine Gesamthöhe von 239 m und damit fast die Höhe des Messeturms in Frankfurt (256,5 m). Die Nabenhöhe (Höhe des Turms) beträgt 164 Meter, der Rotordurchmesser misst 149 Meter und überstreicht die Fläche von zweieinhalb Fußballfeldern. Zum Vergleich: Die Spannweite des A380 – dem derzeit größten Passagier­flugzeug der Welt – beträgt 79,75 m.


Aus diesem Anlass hat Andrea Rahn-Farr, Stadtverordnete sowie Vorstandsmitglied des FDP-Ortsverbands Büdingen, bei den Mitgliedern der Arbeitsgruppe „Energy Reality“ nachgefragt, um Informationen zu den Hintergründen des geplanten „Windparks“ zusammenzutragen. Die Mitglieder der Arbeitsgruppe, Dr. Roland Aßmann, Dr. Horst Dr. Heidsieck, Hans-Werner Kiedrowski und Wolfgang Patzak, haben sich schon in der Vergangenheit mit dem Ausbau von Windkraft auseinandergesetzt  und bringen ihre Expertise in das nachfolgende Gespräch ein.

Rahn-Farr: Meine Herren, überall liest und hört man, dass die Windkraft auch in Hessen beschleunigt ausgebaut werden soll, damit Deutschland seine Reduktionsziele bei der CO2-Minderung erreichen kann. Wenn das so ist, dann ist doch die geplante Installation von zahlreichen WKAs im Büdinger Wald eine gute Sache, oder?

Patzak: Auch die FDP hat sich zum Klimaabkommen von Paris bekannt – von daher ist die Reduzierung von CO2 auch für uns eine erstrebenswerte Aufgabe. Wir haben aber große Zweifel, dass der forcierte Ausbau von Windkraft für eine Industrienation wie Deutschland der richtige Weg ist.

Rahn-Farr: Was spricht denn gegen die Stromerzeugung durch Wind?

Dr. Aßmann: Nennt man die Argumente, die für Windenergie sprechen, ist man schneller fertig. Eigentlich spricht nur der Ausspruch „Der Wind sendet keine Rechnung“ dafür. Doch selbst das ist zu hinterfragen, seit Harvard-Forscher in einer umfangreichen Studie auf die negativen klimatischen Folgen der Windenergie hingewiesen haben. Hinzu kommen noch Schäden an Flora und Fauna, insbesondere wenn die Windräder im Wald aufgestellt werden, zerstörte Natur­land­schaften sowie – oftmals vergessen – genervte und gesundheitlich beeinträchtigte Anwohner.

Patzak: In Deutschland gibt es mehr als 1.000 Städte und Gemeinden, in denen  sich Bürgerinitiativen organisiert haben, um gegen die Errichtung von WKA zu kämpfen. Dass das nicht alles Spinner sein können, erkennt man schon daran, dass viele Gerichte die von den Bürgerinitiativen vorgetragenen Argumente gegen die Errichtung der Anlagen gewürdigt und den Klagen stattgegeben haben. Es kommt nicht von ungefähr, dass der Zubau an Windenergie in Hessen ins Stocken geraten ist. Im ersten Halbjahr 2019 ging kein einziges Windrad ans Netz, im zweiten Halbjahr waren es gerade einmal zwei!

Rahn-Farr: Von den Gegnern der WKA werden in der Regel Naturschutzgründe vorgetragen. Die sind selbstverständlich wichtig – aber müssen wir nicht Kompromisse eingehen, wenn wir unsere Klimaziele erreichen wollen?

Kiedrowski: Natürlich muss man kompromissbereit sein. Gleichwohl möchte ich gleich zu Anfang auf einen wichtigen Aspekt hinweisen: Es gibt viele Studien und Veröffentlichungen, die suggerieren, dass eine gesicherte Stromversorgung in Deutschland kein Problem ist. Jeder Bürger sollte sich aber klar machen, was es bedeutet, wenn die gesicherte Strom­versorgung ausfällt: Es werden nicht nur Funk und Fernsehen nicht mehr verfügbar sein und keine Zeitung mehr gedruckt werden – worauf man ja durchaus für eine gewisse Zeit verzichten kann – nein, das öffentliche Leben wird zusammenbrechen! Die Kühlschränke werden warm werden und die Tiefkühltruhen auftauen, im Winter würde die Hei­zung ausfallen, es käme  kein Trinkwasser mehr aus der Leitung, Toiletten könnten nicht mehr gespült werden, man kann nicht mehr tanken oder Geld vom Automaten beziehen, die Geschäfte bekommen keinen Nachschub mehr, ihre Kassen funktionieren nicht und die OPs in den Krankenhäuser müssen mit Strom aus Notaggregaten versorgt werden. Diese Horrorliste lässt sich beliebig ergänzen. Kurz: Eine gesicherte Stromversorgung ist von zu großer Bedeutung, als dass man das Thema Ideologen oder Autoren von Studien überlassen darf, die ihr Vorschläge selbst niemals umsetzen müssen.

Dr. Heidsieck: Diese Ausführungen von Herrn Kiedrowski sind der wichtigste Hinweis, den man sich in der Diskussion über die Energiewende immer wieder klarmachen muss. Es wird bestimmt überraschen, wenn ich sage, dass ich ab morgen der glühendste Verfechter von Strom aus Solar- und Windkraftanlangen sein werde, wenn mir jemand plausibel erklären kann, wie wir mit dieser Form von Energieerzeugung hier in Deutschland tatsächlich unseren Energiebedarf nachhaltig, zu vertretbaren Kosten und vor allen Dingen zuverlässig decken können.

Rahn-Farr: Und das können wir nicht?

Kiedrowski: Nein, ausdrücklich: Nein! Die Gründe dafür sind so einfach wie einsichtig: Nachts scheint grundsätzlich keine Sonne und an einigen Tagen weht kein Wind. Das ist naturgemäß so und daran wird sich auch nichts ändern. Dass wir heute nicht regelmäßig „im Dunkeln“ sitzen und der Kühlschrank nicht warm wird, ist ausschließlich der Tatsache geschuldet, dass „konventionelle“ Kraftwerke, also Atom-, Kohle und Gaskraftwerke, die erforderliche Grundlast bereit­stellen. Solar- und Windkraftanlagen sind nicht grundlastfähig – man kann es drehen und wenden, wie man will.

Rahn-Farr: Aber Strom aus Biomasse ist doch auch „grüner“ Strom und der ist doch grundlastfähig.

Kiedrowski: Ja, das ist richtig. Im Jahr 2020 wurden ca. 7,8 Prozent des erzeugten Stroms in Deutschland aus Biomasse gewonnen [1]. Das entspricht rund 44,1 Terrawattstunden. Der gesamte Strombedarf in Deutschland beträgt aber mit 512 TWh mehr als das Zehnfache und Strom stellt nur etwa ein Fünftel – also 20% –  des gesamten deutschen End­energie­bedarfs von über 2500 TWh dar. Und dem weiteren Ausbau von Biomasse stehen gewichtige ethische, ökologische und ökonomische Gründe entgegen.

Rahn-Farr: Das verstehe ich.  Und warum bauen wir nicht einfach geeignete Speicher, in denen Strom in ausreichender Menge gespeichert werden kann?

Dr. Aßmann: Ich will jetzt keinen Vortrag über die Gesetze der Thermodynamik halten, aber man muss einfach zur Kenntnis nehmen und akzeptieren, dass es physikalische Grundgesetze gibt, die man durch nichts in der Welt außer Kraft setzen kann. Und diese Gesetze besagen nun einmal u.a., dass Energie nicht ohne Verluste von einer Energieform in eine andere umgewandelt werden kann. Das bedeutet für alle Speichermedien, die man in Betracht ziehen kann, dass nur ein Teil der Energie, die gespeichert werden soll, bei der Entnahme wieder zurückgewonnen wird.

Rahn-Farr: Ok. Was wären den unter diesen energetischen Gesichtspunkten die besten Stromspeicher?

Kiedrowski: Da sind an erster Stelle sogenannte Pumpspeicher und Batteriespeicher zu nennen. Es werden in Deutsch­land einige Pumpspeicher betrieben: Dabei wird die ankommende elektrische Energie genutzt, um Wasser in einen höher gelegenen Speicher – z.B. einen kleinen See – zu pumpen, aus dem dann bei Entnahme eine Turbine angetrieben wird, die dann wieder Strom erzeugt. Dabei geht wie erwähnt jedes Mal etwas Energie verloren. Der Wirkungsgrad eines Pumpspeicherkraftwerks beträgt daher meist zwischen 75 und 85 Prozent, d.h., mit jedem Speichervorgang gehen 15 bis 25% des ursprünglich vorhandenen Stroms verloren. Das ist im Vergleich zu anderen Speichermöglichkeiten nicht schlecht.

Rahn-Farr: Gibt es denn ausreichend viele Pumpspeicherkraftwerke in Deutschland und was können die leisten?

Dr. Aßmann: In Deutschland ist eine Pumpspeicherleistung von etwa 7 GW (Gigawatt) installiert [2]. Die Speicher­kapazitäten reichen dabei täglich für 4 – 8 Stunden Dauerbetrieb. Daraus ergab sich z.B. 2010 eine Gesamtspeicher­kapazität von etwa 40 GWh – das entspricht 0,007% des derzeitigen jährlichen oder 40 min des mittleren Strombedarfs in Deutschland. Ein weiterer Ausbau kommt angesichts der Topografie in Deutschland nicht in Betracht. Zum besseren Verständnis: In einer 10-tägigen Dunkelflaute, wie sie in ganz Deutschland mindestens alle 2 Jahr auftritt [3] werden in Deutschland aktuell etwa 15.000 GWh Strom benötigt. Wird auch in der Verkehrs- und Wärmewende sowie in der Industrie auf Strom als Energieträger gesetzt, wird sich der Bedarf locker auf 30.000 bis 45.000 GWh verdoppeln bis verdreifachen. Das wäre etwa das 750- bis 1.125-fache der aktuellen Pumpspeicherkapazität in Deutschland.

Rahn-Farr: Ok, verstanden – wir haben nicht genügend Berge. Aber was ist mit der Speicherung von Strom in Batterien? Das machen wir im privaten Bereich doch auch mit unseren Laptops oder unseren Smartphones – und auch in Elektro­autos.

Patzak: Ja, der Gedanke ist naheliegend, weil Batteriespeicher – zumindest dann, wenn sie neu sind – einen guten Wirkungsgrad besitzen. Aber wir reden hier nicht über den Betrieb eines Laptops oder eines Smartphones, sondern über die Sicherstellung der Stromversorgung des ganzen Landes.

Dr. Heidsieck: Werfen wir einfach mal einen Blick auf den aktuell größten Batteriespeicher Europas, der 2018 in Schleswig-Holstein ans Netz ging. In Jardelund, dicht an der dänischen Grenze, hat der niederländische Energieversorger Eneco gemeinsam mit dem japanischen Konzern Mitsubishi einen Speicher mit einer Leistung von 46 MW und einer Kapazität von mehr als 50 MWh installiert. Etwa 10.000 Lithium-Ionen-Batterien sind in dem Speicher verbaut – genug, um etwa 5.300 Haushalte für eine Dauer von 24 Stunden mit Strom zu versorgen. Das gesamte Investitionsvolumen beträgt nach Ministeriumsangaben mehr als 30 Mio. [4] [5]

Rahn-Farr: Das klingt doch nicht schlecht!

Dr. Heidsieck: Ja, aber für ein Industrieland ist eine Lösung, für 5.300 Haushalte einen Tag lang Strom speichern zu können, bei Weitem nicht ausreichend. Rechnen wir mal:

Im Jahr 2019 wurden 512 Mrd. kWh (512 TWh) Strom in Deutschland verbraucht. Das sind im Mittel 1,4 TWh am Tag. Der Batteriespeicher in Jardelund hat eine Kapazität von 50 MWh = 5×10-5 TWh. Um den Strombedarf in Deutschland für nur einen einzigen Tag (verlustlos!) zu speichern, würden 28.000 Anlagen benötigt, wie sie derzeit in Schleswig-Holstein steht. Bei heutigen Investitions-Kosten von 30 Mio. € würde dafür ein Betrag von 840 Mrd. benötigt. Da aber wie bereits erwähnt in Deutschland mindestens alle zwei Jahre jeweils im Januar/Februar eine zweiwöchige „Dunkel­flaute“ auftritt, sind Speicher notwendig, mit denen die Stromlücke überbrückt werden könnte – und das wären bei 14 Tagen 392.000 Anlagen. Selbst wenn man unterstellt, dass sich durch Kostendegression die Investitionskosten pro Anlage über die Zeit halbieren ließen, dann wäre immer noch ein gigantischer Betrag von 5.880 Mrd. € erforderlich, um im ganzen Land einen kompletten Stromausfall zu verhindern.

Dr. Aßmann: Das ist eine so große Zahl, dass nur wenige Menschen sich darunter etwas vorstellen können. Wenn man die Investitionskosten auf alle Menschen, die in Deutschland leben, gleichmäßig verteilen würde, dann müsste jeder Bürger dieses Landes – vom Baby bis zum Greis –  70.840 € auf den Tisch legen, um diese Investitionen zu stemmen.

Kiedrowski: Darüber hinaus möchte ich darauf hinweisen, dass diese Rechnung nur einen Teil der Wahrheit darstellt: Wir sind vom heutigen Strombedarf ausgegangen, der aber nach dem Willen der Bundesregierung durch die Elektro­mobilität und ggf. auch durch den Einsatz von Wärmepumpen zukünftig deutlich steigen wird.

Patzak: Bei der aufgestellten Rechnung wurde auch nur die Erstausstattung betrachtet. Jeder, der ein Smartphone nutzt, hat schon erlebt, dass die Speicherleistung des Geräts über die Zeit immer schlechter wird und nach einigen Jahren die Akkus ausgetauscht werden müssen. Diese Ersatzinvestitionen kommen bei der oben dargestellten Speicherlösung durch Batterien noch „on top“. Oder anders ausgedrückt: Wir müssten etwa alle 10 bis 15 Jahren das komplette Barvermögen aller Deutschen auf den Tisch legen und dafür Batterien kaufen.

Rahn-Farr: Wenn ich das so höre, dann erscheint mir die Stromspeicherung durch Batterien auch kein erfolgs­versprechender Weg zu sein. Was für Speichermöglichkeiten haben wir denn sonst noch? Man hört und liest derzeit viel über Wasserstoff.

Dr. Aßmann: Ja, Wasserstoff erlebt derzeit einen regelrechten Hype, nachdem seine Anwendung als Energieträger lange Zeit in Vergessenheit geraten war. Aber Wasserstoff ist nicht nur ein interessantes Gas, das energetisches Potenzial besitzt, sondern auch ein Grundstoff, der in der chemischen Industrie und bei der Stahlerzeugung schon lange zum Einsatz kommt. Wir haben also viel Erfahrung im Umgang mit Wasserstoff. Der heute verwendete Wasserstoff wird industriell durch die sogenannte „Dampfreformierung“ hergestellt, einem chemischen Verfahren, bei dem viel Wärme benötigt wird und das nur bei erhöhter Temperatur möglich ist.

Kiedrowski: Man kann Wasserstoff natürlich auch durch eine sogenannte Elektrolyse gewinnen, bei der durch Einsatz von Strom Wasser – H2O – in seine beiden Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten wird. Für den benötigten Strom kommt natürlich auch Strom in Betracht, der aus Solar- oder WKA erzeugt wurde.

Rahn-Farr: Toll! Dann haben wir doch die Möglichkeit, mit Hilfe von „grünem“ Strom Wasserstoff herzustellen und diesen dann zu speichern.

Dr. Heidsieck: Radio Eriwan würde jetzt antworten: „Im Prinzip ja, aber…“ So einfach, wie das auf den ersten Blick aussehen mag, ist die Sache leider doch nicht.

Rahn-Farr: Wieso nicht? Wo ist das Problem?

Dr. Heidsieck: Die Probleme sind vielschichtig und wir wollen hier der Einfachheit halber nur auf die für jeden nachvoll­ziehbaren Probleme eingehen. Diese sind: Erstens der Betrieb einer Elektrolyse unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten und zweitens die Frage, was wir mit dem mittels Elektrolyse hergestellten Wasserstoff anfangen.

Kiedrowski: Ehe wir darauf eingehen, sollten wir uns zum besseren Verständnis folgendes klarmachen: In der öffent­lichen Diskussion werden die Gesetze der Aerodynamik gerne ausgeblendet. Zwar beginnen sich die Räder einer WKA bereits ab 3 m/sec –  also bei relativ niedrigen Luftgeschwindigkeiten – an zu drehen, dabei erzeugen sie aber nur sehr wenig Strom. Am oberen Ende werden die Anlagen ab einer Windgeschwindigkeit von 25 m/sec (Windstärke 9) abgeschaltet, damit sie nicht zerstört werden. Dazwischen – also zwischen 12-15m/sec (Windstärke 7) –  wird mit der sogenannten „Nennleistung“ ein Optimum erreicht. Das zeigt schon, dass Strom nicht nur dann erzeugt wird, wenn der Wind weht, sondern dass die gewonnene Strommenge auch stark von der Windstärke abhängt. Konkret bedeutet das, wenn die Windgeschwindigkeit von z.B. 12 m/sec auf die Hälfte – also 6 m/sec – abfällt, dann reduziert sich die gewonnene Strommenge auf ein Achtel – also 12% –  der vorherigen Leistung! Das liegt daran, dass – physikalisch ausgedrückt – die Stromerzeugung von der dritten Potenz der Luftgeschwindigkeit durch das Windrad abhängt. Das ist wichtig zu wissen, wenn wir uns jetzt die Herstellung von grünem Wasserstoff mittels Strom aus WKA etwas genauer ansehen.

Dr. Aßmann: Wir dürfen uns eine benötigte Elektrolyse-Anlage nicht so vorstellen, wie wir sie vielleicht noch aus dem Chemieunterricht kennen: Ein Gefäß mit Wasser und zwei Elektroden, die mit meinem Stromkreislauf verbunden sind. Eine heutige Wasserstoffelektrolyse ist eine Industrieanlage, die nur dann optimal Wasserstoff herstellen kann, wenn sowohl der benötigte Strom als auch die Temperatur des Wasserreservoirs konstant sind. Beide Bedingungen können durch Strom aus Solar- und WKA nicht gewährleistet werden. Ein Betrieb im „Stop-And-Go-Betrieb“, bei der die Anlage nur dann betrieben wird, wenn gerade einmal ausreichend Strom zur Verfügung steht, ist wirtschaftlich nicht darstellbar. Zum Vergleich: Die größte Elektrolyse Europas wurde kürzlich bei der Firma Voestalpine in Österreich in Betrieb genommen. Die Investitionskosten betrugen 18 Mio. €. Eine solche Investition kann man wirtschaftlich nicht nach Wind und Wetter betreiben. Die Frage ist daher: Was geschieht, wenn nicht ausreichend grüner Strom zur Verfügung steht? Steht die Anlage dann still, kühlt ab und wartet darauf, dass wieder genug „grüner“ Strom durch die Leitungen kommt? Wohl kaum. Der Betreiber wird die Anlage rund um die Uhr betreiben wollen – und daher zur Not auch Atomstrom aus Frankreich oder Kohlestrom aus Polen einsetzen. Damit wäre der Wasserstoff aber nicht mehr „grün“, sondern „schmutzig“, was  sicher nicht im Sinne der deutschen Energiewende sein kann.

Patzak: Die Ausführungen von Dr. Aßmann zeigen eindrücklich, dass die weit verbreitete Hoffnung, den Überschuss­strom, den wir heute gegen Gebühr nach Österreich und/oder in die Schweiz „verklappen“, zukünftig für die Gewinnung von Wasserstoff einzusetzen, trügerisch ist. 2019 hat Deutschland zwar insgesamt 59,4 TWh Strom exportiert, aber mit diesem Überschussstrom, der nur sehr unregelmäßig anfällt, ist ein kontinuierlicher und damit wirtschaftlicher Betrieb einer Elektrolyse zumindest in Deutschland undenkbar.

Rahn-Farr: Ok, das habe ich verstanden. Und was ist der zweite große Problembereich?

Dr. Heidsieck: Der betrifft die Frage, was wir mit „grünen“ Wasserstoff machen. Denn hier kommen der Wirkungsgrad bzw. die Umwandlungsverluste ins Spiel. Zunächst einmal braucht die Elektrolyse selber Energie. Der Wirkungsgrad einer Elektrolyse beträgt im Mittel 75 %. D.h., wenn ich vorne 100 % Energie in Form von Strom reinstecke, dann kommen hinten noch 75 % in Form von Wasserstoff an. Die nächste Frage ist daher, was geschieht mit dem Wasser­stoff? Er muss gespeichert und ggf. auch transportiert werden. Da Wasserstoff das leichteste Gas ist, das wir kennen, nimmt Wasserstoff sehr viel Raum ein – um ihn also speichern zu können, muss er komprimiert, d.h. verdichtet, werden, z.B. in Hochdruckflaschen. Für die Nutzung im Verkehr wird er auf z.B. 650 bis 700 bar verdichtet. Dafür ist erneut Energie­aufwand erforderlich, den man mit 15 % ansetzen kann. D.h., von den 100 % Energie, die in die Elektrolyse gesteckt wurden, bleiben nach der Verdichtung noch 50 % übrig.

Kiedrowski: Wenn wir also den Wasserstoff in der Flasche haben, muss er noch zum Verbraucher gelangen. Durch Handhabung, Umfüllen und Transport des gasförmigen Wasserstoffs fällt nochmals ein Energieaufwand von ca. 10 % an – es bleiben also noch 40 % der ursprünglich eingesetzten Energie übrig.

Dr. Heidsieck: Tja, aber wir wollen ja mit dem Wasserstoff Strom speichern – also müssen wir aus ihm auch wieder Strom machen. Dass kann mit Hilfe einer Brennstoffzelle geschehen oder mit Hilfe einer Hochtemperatur-Gasturbine mit Generator. Bei der Rückverstromung mittels einer Brennstoffzelle fällt ein weiterer Energieverlust von ca. 15 % an; von der anfangs eingesetzten Strommenge sind also nach Rückverstromung noch 25 % da. Erfolgt die Rückverstromung mittels einer Gasturbine, dann fallen sogar 15 % Energieverluste an es bleiben also nur noch 20 % des anfangs eingesetzten Stroms übrig. [6]

Rahn-Farr: Da bleibt ja wirklich nicht viel übrig! Was bedeutet das für die Stromkunden?

Dr. Aßmann: Für den Stromkunden bedeutet das, dass der Preis des so gespeicherte Strom allein auf Grund der gerade dargelegten unvermeidlichen Energieverluste 4- bis 5-mal so hoch wie der ursprünglich eingesetzte Strompreis ist. Hinzu kommen noch die Kapital- und Betriebskosten, d.h. Kosten für Amortisation, Personal, Wartung und Instandhaltung. Es ist daher davon auszugehen, dass die Kosten für den zurückgewonnen Strom 5- bis 6-mal so hoch sind, wie die des direkt erzeugt Stroms.

Patzak: Um es auf den Punkt zu bringen: Mit 30 €ct/kWh sind wir heute schon Weltmeister bei den Strompreisen. Darin betragen die reinen Kosten für Wind- und Solarstrom ca. 5 €ct, der Rest entsteht durch Betriebs-, Netz- und Vertriebs­kosten, EEG-Umlage sowie Steuern. Für den aus der Wasserstoffspeicherung zurückgewonnen Stromanteil müssten wir ca. 30 €ct oder mehr bezahlen, d.h., der Strompreis würde sich verdoppeln. Jeder mag für sich beurteilen, ob das ein erstrebenswertes Ziel ist. Wir jedenfalls haben begründete Zweifel, dass sich eine Technologie mit so geringem Wirkungs­grad und so hohen Kosten jemals gegen den Import von Wasserstoff durch internationale Konkurrenz in Deutschland durchsetzen wird.

Rahn-Farr: Heißt das, dass uns die Wasserstofftechnologie auch nicht weiterhilft?

Dr. Aßmann: Keineswegs – ganz im Gegenteil. Wir müssen nur aufhören zu glauben, dass wir unsere Energieversorgung mit dem jetzt eingeschlagenen Weg der Energiewende national lösen können. Das Thema Wasserstoff inkl. Erzeugung, Transport, Speicherung und Nutzung ist aktuell zu Recht in aller Munde. Auch deutsche Firmen wie z.B. die sächsische Firme Sunfire forschen intensiv an der Umwandlung von Strom in sog. eFuels/eGase, also synthetisch hergestellte Gase und Kraft-/Brennstoffe, die mit grünem Wasserstoff in Kombination mit aus Umgebung entnommenem CO2 hergestellt werden können.

Allein schon aus ökonomischen Gründen wird unser im globalen Vergleich teurer Solar-/Windstrom nicht mithalten können. Bundesforschungsministerin Anja Karliczek hat Recht, wenn sie im gemeinsamen Interview mit dem Max-Planck-Institutsdirektor Prof. Dr. Robert Schlögl meint: „Bei der Nationalen Wasserstoffstrategie sollten wir grün, global und groß denken…“, was sich exakt mit den Forderungen der FDP deckt. Und sie sagt weiter: „… Denn den größten Teil werden wir von Partnern aus dem Ausland importieren müssen.“ Und weiter auf die Frage: „Es macht also gar nichts, wenn bei uns Windräder blockiert werden?“ sagt Prof. Schlögl: „Das ist ein sinnloser gesellschaftlicher Abnutzungs­kampf, denn wir werden hier ohnehin niemals autark sein. Wenn es die Regierung schafft, den heutigen Anteil der Erneuerbaren am Endenergieverbrauch auf Dauer stabil bei 15 Prozent zu halten, wäre das schon ein Riesenerfolg.“ [7]

Rahn-Farr: Das ist eine ermutigende Perspektive – es bedeutet aber doch, dass wir uns zukünftig lieber auf die Erschließung einer gesicherten internationalen Versorgung konzentrieren sollten, als um jeden Preis weitere WKA in ungeeignete Gebiete zu stellen. Denn das führt letzten Endes nur zu weiteren Auseinandersetzungen und beschäftigt die Gerichte.

Dr. Heidsieck: Genauso sehen wir das auch.

Kiedrowski: Unser Eindruck ist leider aber auch, dass seitens der Windkraftlobby und ihrer Unterstützer alles unter­nommen wird, die verkorkste Energiewende in Deutschland zu retten – koste es, was es wolle. Dem treten wir mit Argumenten und Aufklärung entgegen.

Rahn-Farr: Meine Herren, ich danke Ihnen sehr für das aufschlussreiche Gespräch.

Quellen:

[1] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/251214/umfrage/anteil-der-biomasse-an-der-stromerzeugung-in-deutsch­land/#:~:text=Die%20Statistik%20zeigt%20die%20Entwicklung%20des%20Anteils%20der,aus%20Biomasse%20gewonnen.%20Das%20entspricht%20rund%2044%2C1%20Terrawattstunden.

[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Pumpspeicherkraftwerk#:~:text=Deutschland.%20In%20Deutschland%20ist%20eine%20Pumpspeicherleistung%20von%20etwa,eine%20Gesamtspeicherkapazit%C3%A4t%20von%20etwa%2040%20GWh%20%28Stand%202010%29.

[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Dunkelflaute

[4] https://w3.windmesse.de/windenergie/pm/28448-abe-gruppe-batteriespeicher-europa-deutschland-jardelund

[5] https://w3.windmesse.de/windenergie/pm/28448-abe-gruppe-batteriespeicher-europa-deutschland-jardelund
[6] https://kaltesonne.de/energiespeicher-wasserstoff/ [7] https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/anja-karliczek-und-robert-schloegl-hinter-dem-wasserstoff-thema-verbirgt-sich-die-groesste-gelddruckmaschinerie/25507504.html?ticket=ST-24866306-dcgag5efzB3eMj9ERslL-ap5

Hier das gesamte Interview als pdf zum Download: