OFFENER BRIEF an Bürgermeister Spamer

Dorothea Preißer – Hardecker Str. 13 – 63654 Büdingen – FDP-Stadtverordnete

 

An

Den Bürgermeister der Stadt Büdingen

Herrn Erich Spamer

Eberhard-Bauner-Allee 16

63654 Büdingen

                                                                                                             Büdingen, den 02.07.2012

 

 Sehr geehrter Herr Bürgermeister Spamer,

 

am 30.06.12 werden Sie in einem Bericht des Kreisanzeigers über die Mitgliederversammlung des Büdinger Gewerbevereins zitiert: „Das Stadtparlament ist ein Narrenhaus.“ Diese Feststellung ist 1. unerhört und 2. unzutreffend. Mit dieser Aussage beschädigen Sie das Ansehen der in freien Wahlen von ihren Bürgern gewählten Stadtvertreter. Sie tragen mit solchen Verunglimpfungen dazu bei, dass zum einen das Verständnis für demokratische Verfahrensweisen sinkt und zum anderen sich immer weniger Bürger für kommunale politische Arbeit interessieren. Sie bereiten mit Ihrer Geringschätzung der Arbeit von Stadtverordneten solchen Leuten den Boden, die demokratische Gremien ablehnen.

Just zu einer Zeit, da Befragungen junger Menschen mangelhafte Kenntnisse von deutscher Parlamentsgeschichte, Staatsformen und unserer demokratischen Verfassung zeigen, äußern Sie – oberster „Wasserfrosch“ in den Augen von Grundschülern – demokratiefeindliche Ansichten.

Sie stellen sich immer als denjenigen dar, der als Bürgermeister den breitesten Buckel haben muss, um Anwürfe, Gefährdungen, Unbill abzuwehren. Sie seien es, der im Fall des Falles strafrechtlich belangt werde. Dann sollte Ihnen auch klar sein, dass Ihre Äußerung bezügl. der Stadtverordnetenversammlung Wirkung hat.

Ihre Aufgaben als Bürgermeister sind in der Hess. Gemeindeordnung festgelegt. Sie bereiten Beschlüsse vor, leiten und beaufsichtigen die Verwaltung nach Maßgabe von Beschlüssen in Stadtverordnetenversammlung und Magistrat. Das bedeutet, dass auch Sie inhaltlich und sachlich für die Qualität der Arbeit in den Gremien zuständig sind. Die Verwaltungsmitarbeiter und Stadtverordneten können nur so gut arbeiten wie die Rahmenbedingungen es ermöglichen. Und für die haben Sie zu sorgen. Sie sind als Sprecher und Vorsitzender des Magistrats der Mittler zwischen Verwaltung und Stadtverordnetenversammlung. Ihrer Kompetenz unterliegt der geregelte Ablauf der Verwaltungsgeschäfte. Der „Narr“ muss woanders als unter den Stadtverordneten gesucht werden, wenn Sachverhalte ungenügend dargestellt, Informationen schleppend oder nur auf Nachfrage gegeben werden, Vorlagen nicht aussagekräftig sind, Antworten nicht oder nicht vollständig gegeben, Beschlüsse nicht umgesetzt werden. Stadtverordnete arbeiten ehrenamtlich, als Laien und sind für ihre Diskussionen, Abwägungsverfahren und Beschlussfassungen auf umfassende Zuarbeit der Verwaltung und des Magistrats angewiesen. Nur wenn jeder auf der Position, die er gerade einnimmt, sein ganzes Können einsetzt, kann in den städtischen Gremien für Büdingen erfolgreich gearbeitet werden. Ihre Besserwisserei statt Sachbericht geben, Ihr Anspruch, den Stadtverordneten richtig oder falsch vorgeben zu wollen, Ihre persönliche Auswahl, welche Beschlüsse Sie umsetzen, auf die lange Bank schieben oder ablehnen, zeugen davon, dass Sie nicht bereit sind, die Verantwortung für das Wohlergehen der Stadt Büdingen zu übernehmen. Sie können „mittendrin“ sein – ohne demokratisch legitimierte Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung und deren sach- und fachgerechte Umsetzung durch Magistrat und Verwaltung bleiben Sie bewegungslos „drin“. Sie agieren jederzeit politisch, weil Sie zum Bürgermeister gewählt und auf gewissenhafte Erfüllung der Aufgaben verpflichtet wurden, weil Sie nach Relevanz entscheiden, weil Ihr Einsatz dem Gemeinwohl gelten muss und weil Sie sich der dazu vorgesehen Mittel, wie z.B. der HGO, bedienen. Somit ist Ihre Äußerung, die Stadtverordnetenversammlung sei ein Narrenhaus, politisch. Sind Sie politisch noch integer? Haben Sie politisch noch eine Mehrheit? Überdenken Sie Ihren Politikbegriff – tragen Sie Ihre Verantwortung im Amt – achten Sie die demokratische Grundordnung und nehmen Sie die Arbeit der Stadtverordnete Ernst!