Warum Windkraft keine verlässliche Stromquelle sein kann
Dr. H. Heidsieck, H.W. Kiedrowski
Die Stromerzeugung durch Windkraftanlagen (WKA) hat in der deutschen Energiewende eine große Bedeutung. So standen Ende 2020 über 29.600 sogenannte „Onshore-WKA“ an Land und in der Nord- bzw. in der Ostsee waren rund 1.500 sogenannte „Offshore-WKA“ installiert [1]. Das Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme ISE hat am 04.01.2021 veröffentlicht, dass diese Anlagen im Jahr 2020 ca.132 Terawattstunden (TWh), das sind 132.000.000.000 Kilowattstunden (KWh),Strom erzeugt haben. Damit hat „Windstrom“ mit 27,2% den größten Anteil an der öffentlichen Nettostromerzeugung in Deutschland [2].
In den Meldungen über den Ausbau der Erneuerbaren Energien (EE) wurden in den letzten Jahren bei den WKA an erster Stelle deren „Leistung“ angegeben. Jede WKA ist durch eine sogenannte „Nennleistung“ gekennzeichnet. Als Nennleistung bezeichnet man die Leistung, die eine Stromerzeugungsanlage erzeugen kann. Es ist die Dauerleistung, für die sie gemäß Herstellerangabe ausgelegt wurde. Die Nennleistung ist also die höchste Leistung, die im Normalbetrieb ohne zeitliche Einschränkung erbracht werden kann, ohne die Lebensdauer oder Sicherheit der Anlage zu beeinträchtigen. Anders ausgedrückt: die Nennleistung beziffert die Stromerzeugung, die die Anlage unter idealen Bedingungen im Dauerbetrieb generieren kann. Die modernsten WKA, wie zum Beispiel die Windkraftanlage Delta 4000 TCS 1645 von der Firma Nordex, können an Land nach Herstellerangaben unter den oben genannten Bedingungen bis zu 4,5 Megawatt (= 4.500 Kilowatt) Stromleistung erzeugen.
Wie oben erwähnt waren Ende 2020 etwas über 31.000 WKA in Betrieb. Addiert man die Nennleistung“ aller 2020 in Deutschland installierten WKA, so kommt man auf einen Wert von ca. 62 Gigawatt [10] (entspricht 62.000.000 Kilowatt). Über das Jahr gesehen, d.h., bei einem kontinuierlichen Betrieb unter Idealbedingungen von 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr, sollten diese Anlagen theoretisch eine Strommenge von 62 Gigawatt x 24 h x 365 Tage = 545.000 Gigawattstunden (= 545 TWh) erzeugen können. Um es einfacher zu machen rechnen wir die Einheit Gigawattstunden in Terrawattstunden (1 TWh = 1.000 GWh) um und erhalten bezogen auf das Gesamtjahr eine Gesamtleistung von 545 TWh. Wie oben bereits erwähnt, haben alle WKA in Deutschland 2020 aber „nur“ 132 TWh abgeliefert!
Dieser Vergleich zeigt bereits eine deutliche Problematik der Stromproduktion durch WKA: Sie liefern nur in 25% der insgesamt verfügbaren Zeit tatsächlich die angegebene Strommenge. Ausgedrückt in Volllaststunden sind dies rechnerisch 2.120 Stunden/Jahr, bzw. in Tagen wären es 88 Tage, obwohl 2020 im Vergleich zu den Vorjahren ein gutes Windjahr war. Anders gesagt: während 75% der Zeit – also an 277 Tagen des Jahres – liefern alle 31.000 WKA zusammengenommen rechnerisch: nichts. Entweder, weil gar kein Wind weht, oder zu wenig oder auch zu viel. Denn bei zu viel Wind müssen die Anlagen abgeregelt bzw. abgeschaltet werden, damit sie nicht zerstört werden.
Betrachtet man nur die produktive Zeit, also nur die Auslastung der Anlage, so ist eine Investition in WKA nicht wirklich attraktiv – es sei denn, dass sich der Betrieb auch mit 25% Auslastung durch entsprechende Preisgestaltung oder den Erhalt von Subventionen dennoch lohnt. Aber vielleicht könnte man mit der geringen Auslastung ja auch noch leben, wenn die Anlagen in der wenigen Zeit, in der sie tatsächlich Strom produzieren, diesen konstant zur Verfügung stellen würden. Das ist aber leider auch nicht der Fall. Das nachstehende Diagramm zeigt, dass übers Jahr gesehen Windstrom (hellgrüne Balken) – im Gegensatz etwa zu Biomasse (dunkelgrüne Balken) – nicht gleichmäßig anfällt: offensichtlich haben die WKA im Februar 2020 deutlich mehr Strom geliefert als im Juni [3].
Schauen wir uns daher als nächstes an, welche Stromleistung alle in Deutschland vorhandenen WKA nicht pro Monat, sondern im Stundentakt geliefert haben. Die erforderlichen Daten dazu findet man auch auf einer Seite des Fraunhofer Instituts ISE bzw. bei entso.eu. Die nachfolgende Grafik zeigt die Einspeisung aller WKA in Deutschland, einschließlich der Anlagen, die in der Nord- bzw. der Ostsee errichtet wurden. Auch ein Laie erkennt sofort, dass die Leistung extreme Schwankungen aufweist:
Die Problematik dieser Schwankungen wird beispielhaft durch einen Blick auf die Stromproduktion aus Erneuerbaren Energien im Dezember 2020 nochmals eindrucksvoll unterstrichen:
(Anmerkung: dieses Diagramm ist einer Seite des ISE entnommen. Leider bleibt die Überschrift die gleiche, auch wenn, wie hier, nur die Stromerzeugung durch Wind- und Solaranlagen gezeigt wird.)
Die hier gezeigten Daten sind alle öffentlich verfügbar [4], leider werden sie in den Medien nicht verwendet. Stattdessen wird mit Summen und Mittelwerten operiert. So hört sich z.B. der Mittelwert aller Einspeisungen mit ca. 15 Gigawatt für den gesamte Monat Dezember 2020 auf den ersten Blick gut an. Aber für eine verlässliche Stromversorgung eines Landes sagen Mittelwerte nichts aus, denn es gab im Dezember auch Tage – wie z.B. am 10.12. um 16:00h, an dem nur ca. 1,5 GW Strom erzeugt wurde. Bei einer installierten Nennleistung von ca. 62 GW entspricht diese geringe Einspeisung nur 2,4% der tatsächlich installierten Kapazität. Auf der anderen Seite betrug die maximale Leistung am 27.12. um 18:00h 44 GW, was einer Auslastung der installierten Nennleistung von ca. 71% entspricht. Das Argumentieren mit Mittelwerten ist also irreführend!
Ein weiteres Ärgernis bei der allgemeinen Berichterstattung ist, dass nur auf die Erzeugungs- bzw. die Einspeisungsseite geschaut wird. Die Abnahmeseite kommt in der öffentlichen Diskussion nicht oder nur am Rande vor. Dabei sind beide Seiten auf das engste miteinander verknüpft. Vereinfacht ausgedrückt: ein Stromproduzent speist seinen Strom auf der einen Seite ins Stromnetz ein, und auf der anderen Seite entnehmen die Verbraucher – und das sind nicht nur die privaten Haushalte, sondern die gesamte Industriegesellschaft – exakt die Strommenge, die sie zum Betrieb ihres elektrischen Geräts oder einer elektrischen Anlage benötigen. Dabei müssen – zumindest heute noch – zu jeder Zeit Angebot und Nachfrage innerhalb enger Grenzen übereinstimmen. Wenn auf der Verbraucherseite z.B. ein großer Verbraucher dazukommt, muss die Stromversorgerseite in der Lage sein, die zusätzlich benötigte Strommenge kurzfristig bereitzustellen. Wenn das nicht gelingt, dann kann im schlimmsten Fall das Stromnetz zusammenbrechen und die Stromversorgung in weiten Teilen des Landes unterbrochen werden.
Da dieses Problem in Fachkreisen bekannt ist, wird mit Hochdruck an möglichen elektronischen Lösungen geforscht. Ob „smarte“ Lösungen zukünftig in der Lage sein werden, die oben gezeigten Schwankungen des Windstroms auszugleichen und zu „managen“, wird sich zeigen müssen. Derzeit stehen sie zumindest noch nicht zur Verfügung.
Dabei wird die Form von „Zuteilung“ bereits seit Jahren „manuell“ praktiziert. Die Aufnahmefähigkeit des Stromnetzes ist mit einer Spitzenlast von ca. 81 GW [11] begrenzt. D.h., Strommengen, die über diesen Wert hinausgehen, gefährden die Belastbarkeit der Netze und könnten zu deren Zusammenbruch führen.
Um das zu verhindern, müssen Strommengen, die diesen Grenzwert übersteigen, „abgeregelt“ werden. Da dies mit WKA einfacher geht als mit Braunkohle- und Kernkraftwerken, werden hauptsächlich WKA temporär abgeschaltet. Die erforderlichen Eingriffe haben in den zurückliegenden Jahren mit dem Ausbau von Solar- und WKA deutlich zugenommen. Für die Betreiber von „Windparks“ ist das Abschalten weitgehend ohne finanzielle Folgen: sie erhalten eine Vergütung für den „Ausfallstrom. So beziffert die Bundenetzagentur für 2019 die „abgeregelte“ Menge mit 13,3 TWh. Für diese Maßnahmen wurden die Stromkunden über den Strompreis ein Betrag von € 709 Mio. belastet [5].
Diese Praxis wollte der Gesetzgeber nach zweijähriger Beratungszeit offensichtlich auf eine neue rechtliche Basis stellen. Wenn auf der Versorgungsseite nicht genügend Strom zur Verfügung steht, dann muss eben auf der Abnahmeseite die Entnahme entsprechend reduziert werden. Bis zum 15. Januar lief die Frist für Stellungnahmen zum Referentenentwurf „Steuerbare-Verbrauchseinrichtungen-Gesetz“ [6]. Betroffen vom sperrigen Titel sollen künftig alle Nutzer zumindest von Wärmepumpen, Stromspeichern, Nachtstromspeicherheizungen und Ladestellen für Elektrofahrzeuge sein. Sie wären damit zur Spitzenlastglättung verpflichtet. Man sollte sich von dem Gesetzestitel nicht irritieren lassen: es geht um die Verwaltung des Mangels an Strom!
Aus welchen Gründen auch immer ist der Referentenwurf dieses Gesetzesvorhabens seit dem 14.01.2021 auf der Homepage des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie nicht mehr abrufbar, was zu einem Aufschrei zahlreicher Lobbyverbänden geführt hat [7]. Aber es ist zu befürchten, dass dieser Entwurf spätestens bei einer Beteiligung der Grünen an der nächsten Bundesregierung wieder hervorgeholt wird. Damit wäre dann ein weiterer Schritt in Richtung Ökosozialismus gemacht.
Nachdem in den letzten beiden Jahren der weitere Ausbau von WKA deutlich abgenommen hat, fordern diverse Lobbyverbände lautstark, die Politik müsse dringend mögliche „Ausbauhindernisse“ beseitigen. Diese „Hindernisse“ sind in der Hauptsache Einsprüche und Klagen von betroffenen Bürgern. Inzwischen ist dieser „Hilferuf“ der grünen Lobbyverbände durch die Bundesregierung erhört worden und mit dem „Investitionsbeschleunigungsgesetz“ soll der weitere Ausbau insbesondere der Windkraft wieder Fahrt aufnehmen. Das Gesetz hat inzwischen den Bundestag passiert und wartet nun noch auf die Zustimmung durch den Bundesrat.
Zu diesem Gesetz sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier: „Mit dem Investitionsbeschleunigungsgesetz ist ein großer Schritt hin zu schnelleren Planungs- und Genehmigungsverfahren getan. Das ist ein wichtiges Zukunftssignal für Deutschland als Investitionsstandort. Und es ist für den Bereich Windenergie an Land zugleich ein gutes Signal für die Energiewende. Mit dem Gesetz sorgen wir für eine Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren für Windenergieanlagen an Land. So verkürzen wir den verwaltungsgerichtlichen Instanzenzug und damit auch die Verfahrensdauer insgesamt. Zudem entfällt bei Klagen gegen die Zulassung Windenergieanlagen die sogenannte aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage. Auch dies ist ein wichtiger Beitrag, um den Ausbau von Windenergie an Land zu beschleunigen [8].“
Es gibt auch kritische Stimmen aus dem „grünen Lager“, die erklären, dass mit diesem Gesetz der weitere Ausbau von WKA über den Naturschutz (d.h. den Artenschutz) gestellt wird [9].
Damit stellt sich die Frage, ob ein weiterer massiver Ausbau von WKA die oben beschriebenen Probleme der Stromerzeugung durch WKA überhaupt lösen kann. Die Antwort darauf ist so einfach wie naheliegend. Sie lautet eindeutig Nein! Nehmen wir einmal an, dass die Anzahl der WKA von heute ca. 31.000 um den Faktor 3 auf ca. 90.000 erhöht würde. Das hätte zunächst einmal zur Folge, dass bei Windstille nicht nur 31.000 WKA stillstünden, sondern 90.000. In dem oben gezeigten Diagramm würde die Struktur der vielen Spitzen in gleicher Weise erhalten bleiben – allerdings würde sich ein noch größerer Regelungsbedarf ergeben: der oben genannte Spitzenwert könnte von derzeit 44 GW auf ca. 132 GW ansteigen und läge damit deutlich über der Aufnahmefähigkeit des Stromnetzes, bzw. des Strombedarfs. Der erforderliche Regelungsbedarf – und die damit verbundenen Kosten würden weiter massiv zunehmen.
Abschließend noch ein Blick auf Europa. Es ist immer wieder zu beobachten, dass Politiker nach einer „europäischen Lösung“ rufen, wenn sie mit einer nationalen Lösung nicht weiterkommen. So hat auch der grüne Spitzenpolitiker Robert Habeck erklärt, man könne ja grünen Strom aus anderen Ländern importieren, wenn hier in Deutschland nicht genug produziert wird.
Abgesehen davon, dass die für den Transport erforderlichen Stromtrassen nicht zur Verfügung stehen – es sei daran erinnert, dass in Deutschland seit 10 Jahren an SuedLink geplant wird und dieser erst bis 2026 gebaut werden soll – erscheint die Idee dennoch prüfenswert. Leider zeigt das folgende Diagramm schon auf den ersten Blick, dass dies auch keine praktikable Lösung darstellt:
Man erkennt sofort, dass die Struktur dieses Diagramm, mit dem, welches die nationale Einspeisung zeigt, identisch ist. Mit anderen Worten: wenn in Deutschland wenig Wind weht, dann weht auch wenig Wind in anderen Europäischen Ländern – und wenn hier viel Wind weht, dann ist das in den gezeigten Ländern ebenso. Diesen Sachverhalt kann man sogar mathematisch berechnen. Die Analyse bestätigt die Beobachtung.
Auch unter Einbeziehung aller Windkraftanlagen aus 15 europäischen Staaten ist also mit Windkraft eine zuverlässige Stromversorgung nicht möglich.
Vor diesem Hintergrund verdient die geplante Abschaltung der verbliebenen AKW im Jahr 2022 und der Kohlekraftwerke in den Folgejahren besondere Aufmerksamkeit.
Die Autoren danken Herrn Rolf Schuster herzlich für die Bereitstellung der Jahres-Grafiken auf Stundenbasis
Quellen:
[3] https://energy-charts.info/charts/energy/chart.htm?l=de&c=DE&year=2020
[5] https://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Mediathek/Berichte/2020/Quartalszahlen_Q1_2020.pdf?__blob=publicationFile&v=3
[10] Deutsche Windguard – Status des Windenergieausbaus an Land in Deutschland, Erstes Halbjahr 2020; Status des Offshore-Windenergieausbaus in Deutschland, Erstes Halbjahr 2020
[11] https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/energiewende/spitzenlast-614922